Ausstellungsplan 2022


Selbst – Der Blick über die Brille
Lithografie in 6 Farben, handkoloriert, 1987

vom 28.11.2015 - 20.02.2016

Reiner Schwarz (Berlin)


Zeichner allein wolle er nicht sein, sondern ein Deuter, Umdeuter, Neudeuter, ein Metaphoriker, der Mutanten kreiert und damit so noch nicht gesehenes Allbekanntes und scheinbar Banales zur Anschauung bringt, das eben dabei ist, in die Ewigkeit zu wechseln: eben der langkurze Augenblick einer allzu flüchtigen Gegenwart, einer Natur neben der Natur, einer Realität neben der Realität. Es ist daher ein subversiver Realismus, der unser Alltagsdenken in Frage stellt, der die Dinge mittels überfeinerter Akkuratesse einem raschen Zugriff erweigert, der das Erkennen hintertreibt, die Welt denaturiert und zu Vexierbild umschmilzt; einer, der Sinnänderung betreibt, die Semantik kippt, das bislang Bekannte ins Schleudern bringt, der auf diese Weise das Klare mittels Überklarung verklärt und das Vertraute verfremdet. So entstehen Zustandsberichte momentaner Befindlichkeiten, wie sie sich über Tage hin auf der langlangen Bank hoher Zeichenkunst ansammeln und sich dann in einer Zeichnung entladen. – Und das alles mitgeteilt mittels versierten Könnens, perfekten Handwerks, hoher zeichnerischer „altmeisterlicher“ Meisterschaft und ambivalierender Fantasie, die aus tiefen Erschütterungen resultiert.
Und jedes Ding ein Mittelpunkt der Welt und nichts existiert scheinbar außer ihm! Diese Zeichnungen sind letztendlich Dinggedichte, die die Dinge so darstellen, als befänden sie sich in einem Monolog mit und über sich selbst. Das Ding wird zu gewichtigem Wesen, zu faszinierender Kreatur. Stille herrscht. Der Mensch ist gegangen, das Ding ist geblieben und sperrt sich nun einer einfachen Definierung. Es hat sich von seiner Natur losgesagt, will nichts mehr abbilden, sondern das scheinbar Harmlose mit Bedeutung beladen.
Und das mit voller Absicht oft auf gewöhnlichem Packpapier, weil die grobe Körnung jeden Strich subversiv unterlaufe und alles Artifizielle von Vornherein konterkariere. Mit seinem Spätwerk befindet er sich selbst im Alter des Entschwindens. Da ist man auf Elementares und Existenzielles aus und ist offenbar angelangt bei einer Ästhetik der autonomen „Natura Morta“ und Memorial.

Prof. Dr. Edwin Kratschmer

 

Das letzte Buch
Lithografie in 7 Farben auf Bütten, 1984

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Der Lilienstrauß
Kohle und Farbstifte auf Packpapier, 2006

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Die Schubkarre (im Lichte Venedigs)
Lithografie in 3 Farben handkoloriert, 1994

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Die 12 (l‘Île Saint Louis, Paris)
Kohle und Farbstifte, 2014

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