Karl Jüttner
Ich kenne ihn als einen jener denkenden, philosophierenden und experimentierenden Künstler, die Kunstwissen, Empfindsamkeit und Sinnlichkeit unentwegt mit Sinn verbinden. Dabei kann er aus einem reichen Fundus an Lebens- und Kunsterfahrung schöpfen. Das machte ihn in den 70-er und 80-er Jahren zu einem Avantgardisten der DDR-Keramik. Er führte sie von der Gefäßkeramik zur freien Objektkeramik und schließlich zur Figurplastik. Dabei interessierte ihn die menschliche Figur sowohl als seelischer Ausdrucksträger als auch als Verkörperung einer Biografie. Er eroberte sich dazu die strenge Formensprache archaischer Terrakotten, die er bald sinnlich, bald würdevoll asketisch oder verletzlich und zerbrechlich zu Stelen und Statuetten aufbaute. Ihn reizte hierbei die faltige, rissige, schrundige Oberflächenstruktur, die Verwundungen und Vernarbungen assoziiert. Die oft überlängten Senkrechachsen und das Fehlen der Arme und Hände betonen Gefährdung, Wehrlosigkeit und Hilflosigkeit. Alles Verbindliche, Dekorative ist getilgt. Mit seinen "Köpfen" schuf er eine Typologie menschlicher Charaktere. Er stellte sie in ihren Verkarstungen und Verkrustungen dar. Wir begegnen Tätern und Opfern, Siegern und Besiegten, Verlarvten und Maskierten.
Als Zeichner ist Karl Jüttner ebenfalls nah an der menschlichen Figur. Doch hat er auch hier nicht Anatomie oder gar Individualität im Sinn, sondern die Figur als menschliches Charakter- zeichen. Karl Jüttner hat mit seiner Kunst immer wieder Maßstäbe eingebracht. Sein 80. Geburtstag ist uns Anlass zur Rückbesinnung auf einen Lebensweg, dereine lange Spur "gebrannter" Zeugenschaften gesetzt hat.
Dr. Maren Kroneck
zurück zur Liste