Biografie:

3.1.1942 in Geringswolde/Sa. geboren
1943 Vater im 2. Weltkrieg vermißt
1956-1960 Lehre und Arbeit als Maschinenschlosser in Leisnig
1960-1962 Armeedienst. Besuch von Abendkursen an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig
1962-1967 Studium der Grafik und Illustration an der HfGB in Leipzig
Lehrer: Fröhlich. Mayer-Foreyt, G.K. Müller, Tübke
1969-1972 Aspirantur an der HfGB bei Arloth, Kapr, Kuhrt
1973-1992 Lehrauftrag für Aktzeichnen und Einführung in die Illustration an der HfGB
seit 1990 Leiter der Werkstatt für Lithographie an der HfGB
seit 1992 Professor

Personalausstellungen
in Altenburg, Bad Kosen, Berlin-Ost und -West, Boizenburg, Brandenburg, Erfurt, Frankfurt/Oder, Gera, Greifswald, Grimma, Hannover, Jena, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Magdeburg, Meerane, München, Neubrandenburg, Nürnberg, Unterwellenborn und Zwickau in Bern, Krakau, Oviedo und Turin

Ausstellungsbeteilgungen
in Bulgarien, CSFR, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Jugoslawien, Norwegen, Osterreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Sowjetunion und Ungarn

Rolf Münzner

Münzner hat die Heimsuchungen eines Brueghel, oder die Ängste eines Bosch geistern durch seine Blätter. Wer das Figurenspektakel als bloßes Panoptikum nimmt, kommt ihm nicht nahe; es ist mindestens ebenso ein Pandämonium. Sitten-, Sinn- und Zerrbild in einem. Und Münzner hat Lieblingsmetaphern: Kampfring, Karussell, luftiger Steg, Maschine, Gefährt. Und immer ist da Bewegung, etwa auf der ständig kreisenden Drehbühne oder in gefährlich instabiler Lage. Aber auch die Figuren gestisch, pantomimisch, streitend, ringend, schwebend, schiebend, aussteigend, abspringend, stürzend, in der Waage. Ein dünnhäutiger, passionierter Diagnostiker macht Zeitansage, definiert die Lage, gibt Kunde von seiner Existenzempfindung. Dabei kommt er zu absurden Ergebnissen: Die Welt ist ein Ringelspiel, das kleinbürgerlich Monströse in ewiger Kreisbewegung. Seit Jahren schon beschäftigt ihn das. In nahezu zwanghafter Manie kommt er immer wieder darauf zurück, die Reihe wächst sich zum Zyklus aus. Zu DDR-Zeiten war es noch ein schauriger anachronistischer Vorbeimarsch von Popanzen und Saturierten, in Bewegung gehalten von Sklaven und Knechten und Bütteln; oder eine Drehbühne mit martialischen Kriegern schob sich vorbei, davor der Munchsche Schrei eines Kindes (das war zur Zeit der Hochrüstung). 1991 ist es ein wackliges "Narrenkarussell" mit einer recht illustren Gesellschaft, die nur noch eines gemeinsam hat: die verrottete Drehscheibe, angetrieben von einem Schaf und mittels dubioser Mechanik.
Geändert hat sich auch Münzners Duktus. Der Genauigkeitsfetischist von einst, der ganz in die korrekte, scharfe Linie gekrochen war, in ihr seine Phantasie gebrochen hat, sie und sich immer wieder disziplinierend, läßt sie und seine Lithofeder nun frei flanieren, da bewegt sich die hochempfindliche Nadel eines Seismographen über den Stein, jeden Impuls und jede Erschütterung kritzelnd fixierend: die Reagibilität eines hypersensiblen Zeichners, dessen Atem und Puls die Schreibfrequenz vorgeben. In den Strichelungen und den Krakelüren oder in der klecksenden Tusche die Registratur noch der kleinsten Er- schütterung: die Humanqualität des Künstlers.

Dr. Edwin Kratschmer

 

zu Heinrich Heine "Anno 1829"
Schablithografie, 1983

Designelement-leeres Bild

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