Olaf Gropp
Radierungen seit 1975
Es sind die grafischen Mittel der Radierung in allen ihren Facetten, die Olaf Gropp beherrscht, um seine ihm imaginierte Bildwelt umzusetzen- innere und äußere Bilder seiner Stadt Erfurt, die oft rätselhaften Beziehungen zu fremden Ländern, zum Menschen, zum 'weiblichen Geschlecht, zur Landschaft. Olaf Gropp vermittelt selbst eine Abfolge seines Werkes ohne jede Wertfestsetzung: Radierungen zur Heimatstadt Erfurt, die Welt der Antike, das Besinnlich- Sinnliche, die Darstellung des Tieres, geometrische Kunst, Philosophisches, die Ex- libris..., aber alles ist sind ineinander verwoben als eine Lebenswelt ernster oder heiterer Ereignisse.
Das historische Erfurt, dominiert von den Epochen des Mittelalters, bestimmt von der Doppelkirchenanlage des Domes der St. Marien und der St. Severikirche, fasziniert den Radierer. Der Grafiker Olaf Gropp aber sieht das ganze Bauliche einer Stadt, das wiederaufgebaute Denkmal, die neuen Häuser, wie den Verfall, den Abbruch von prachtvollen Bauwerken, Gebäuden und Industrieanlagen ohne Rechtfertigung.
Die baulich klare Aufrichtung der bedeutenden Denkmäler wie Dom und Severikirche im Bild, die Sichtbarmachung des Konstruktiven der Petersfeste im Anstieg zu Berge, die herrschaftliche Heraushebung des Rathauses, wie die geradezu liebevolle Vorstellung der Gesichter von Häusern des Nordens, Hausgiebel (o. T, 1995) mit einem Reichtum von Ornamenten, Bildschmuck, Fenstervielfalt der schwelgenden Phantasie der Architekten, das trägt im Werk. Olaf Gropp differenziert behutsam zwischen Repräsentanz und Verfall, zwischen gesellschaftlichen Zuspruch eines Gebäudes und seiner Randstellung, er zeigt den Abriss.
Die Serie „Verschlossen" V-Vn, 1990, dokumentiert das Verstummen von Teilen der Stadt. Leergezogen, dem Verfall preisgegeben ist jedes Haus mit eigenem Gesicht des Unwiederholbaren, des menschlich Verstehbaren ein hoher Verlust. Die Radierung des Künstlers „Die blaue Stunde" von 1995 verführt trotz des ruinösen Zustandes des Hauses in die Romantik des tröstlichen blauen Himmels, der die Hoffnung trägt. Olaf Gropp arbeitete selbstverständlich in den Ensembles der Krämerbrücke, der Festung Petersberg, der Arche, wie auf dem Domplatz, um das Vorweisbare der Stadt Erfurt erfinderisch neu zu bestimmen. Er gestaltet mit simultanen Teilungen des Blattes, Maßverhältnissen, licht und Schatten, um das aktuelle Wesen des Historischen lebendig vorzutragen. Vom urbanen Geist seiner Stadt durchaus heimatlich besonnen, reist er in Länder früher Kulturen, Griechenland, Ägypten, die Türkei, neugierig auf die antiken Stätten, das Klima, die Landschaft. Aber er begegnet diesen Regionen nicht ohne Fragen und Ironie, denn die baulichen Reste sind immer wieder Ruinen, Hinterlassenschaften großer Kulturen. „Hierapolis" I und II, 1998, zwei Radierungen, die räumliche Situationen vorgeben, Größe und Ruhe- hier gestaltet Olaf Gropp demütig das hinterlassene Denkmal. Aber 1999 und 2000 heißt es zu den BÜdern: „Der abgewickelte Ramses", „Ankündigung der ägyptischen Finsternis", uns aktuell betreffende Ereignisse zum Gleichnis. Die Fähigkeit des Künstlers mit Humor und Ironie Fragen zu stellen, Lebensdinge in Zweifel zu setzen, vermittelt eine Fülle besinnlich- sinnlicher Radierungen; mit offenem Visier erfochten, im Versteckspiel geboten. Die unübersehbare Lust am Spiel schuf eine unübersehbare Anzahl von künstlerischen Arbeiten, wo es umtriebig zugeht, aus unglaublichen Perspektiven gesehen, im Wechsel der Mittel, Formate, der Thematik angefacht.
Die griechische Mythologie entsendet ihre ewig waltenden Akteure. Immer wieder ist es Leda, die geliebte des Gottvaters Zeus, die listig ihr Spiel treibt, aber auch in Ratlosigkeit verfällt („Leda ist ratlos", 2001). Um das ewige Spannungsverhältnis zwischen Mann und Frau doch zumindest probeweise zu ergründen, beansprucht Olaf Gropp Scharen der Fauna, das große, wie das kleine Tier, bizarre Gestalten, die seine Imaginationen übersetzen sollen. Die Turteltaube, wie das Raubtier, die Schildkröte, wie der Frosch („Sei kein Frosch du lieber Prinz", 1998), wie die Affen, die Katzen („Katzen unter sich", o. J.) - sie alle helfen zum Gleichnis dem Mann und der Frau sich in ihrem Miteinander zu verstehen. Der Künstler verweist natürlich in Direktheit auf unsern Alltag, wenn er über Fernwärme arbeitet die Körperlichkeit dieser Tage sieht, den Versuch auf dem „Strich zu gehen" persifliert, Sprachlosigkeit artikuliert, eine „Nackenstütze für Wendehälse", 1990 erfindet. Der durchgreifende Humor des Grafikers findet selbst im erotischen Grenzfall noch eine anspruchsvolle Lösung, wenn Adam und Eva gefragt sind, Dornröschen auf den Freier wartet oder die Frau einem Tiere begegnet. Stets wird der Wechsel der Thematik von unterschiedlichen Faktoren bestimmt, wenn er reist, scheinbare Veränderungen als alte List erkennt, innere neue Sichten entwickelt sieht.
Er experimentiert mit geometrischen Formen, versucht außerhalb seiner barocken Bilderwelt turbulenter Ereignisse mit strengen Konstruktionen Distanz zu gewinnen. Die Adaption historischer Kunst von Peter Paul Rubens, Andrea Mategna oder Jean D. Ingres erfolgt wie selbstverständlich im heiteren Zweifel, was aus dieser künstlerischen Welt zu schlussfolgern ist.
Olaf Gropp verfremdet, setzt hinzu, ironisiert, aktualisiert, findet die neue Ansprache an den Betrachter, vorläufig.
Thema bleibt, Spuren des Lebens zu finden, Formen, die das Werden und Vergehen bestimmen sollen, die Dynamik und Schwäche insistieren, voller Kraft.
Nahezu 100 Exlibris entstanden für die Auftraggeber, die die alte Kunst des Bucheignerzeichens schätzen, diese kleine individuelle Aufwertung der eigenen Bibliothek. Mit welcher Phantasie Olaf Gropp einhergeht, umtriebig sich hineinarbeitet in eine vorgestellte Welt zutreffender Zeichen, ist nicht nur erstaunlich, sondern verfolgbar! Er sensibilisiert das für ihn Erfassbare auf den Punkt. Es ist das Anliegen des Künstlers Bilder fassbar, konkret erfahrbar zu machen, das Material, die Kenntnisse der Radierkunst zu nutzen, uns zu überzeugen in dieser Bildordnung des Innen und Außen.
Die Landschaft hat Olaf Gropp immer wieder auf eine stille Betrachtung gestellt; hier tragen die Strukturen, die Materialität des Bodens, der Bäume, das Atmosphärische, nur heute wirken die neuen Sichten im Bild, das schwebender gesetzte Bildprogramm („Feldweg", 2002...). Das Erleben gegensätzlicher Landschafts- und Stadträume in verschiedenen Regionen, das Heile wie Gestörte, die wechselnden Schauplätze menschlicher Begegnungen beeinflussen Olaf Gropp sehr unterschiedlich. Die vor Ort zu treffende Entscheidung der Wahrnehmung, das umsetzten in die Grafik, das Experiment darin, erfordern das schöpferischerfinderische Wesen.
Man spürt im Werk die ständige Bewegung, nicht nur im Wechsel der Thematik.
Herbert Schönemann
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