Ausstellungsplan 2020
Renate Jüttner (Saalfeld) - Malerei / Grafik
Renate Jüttner - Malerei Grafik
Was ist so faszinierend an den Bildern von Renate Jüttner? Die lyrische Melancholie der Romantiker in ihren Landschaften oder die zeichnerischen Nachdichtungen ihrer Grafik? Die dunkle Sprache in der Ölmalerei? Die studierte Pianistin beherrscht die Klaviaturen der wichtigsten schönen Künste: Sie ist Musikerin, Malerin, Grafikerin, Lyrikerin. Eine Mehrfachbegabung, seit Jahrzehnten zur Profession gemacht. Die kann man nicht einfach beiseite legen. Auch mit 85 nicht.
Der Mensch ist verletzbar und deshalb ein unvollkommenes Wesen – bis heute durchzieht dieses Thema ihr künstlerisches Schaffen, insbesondere die Malerei. So sind ihre Torsi verwundet, krank, gesichtslos. Andere Gestalten sind verhüllt, erscheinen nur schemenhaft auf der Bildfläche. Und es geht noch radikaler: In Natura morta ist lediglich eine äußere künstliche Hülle vorhanden, der Mensch als körperliches Wesen, als Naturwesen völlig verschwunden.
Renate Jüttner nutzt gern Mystisches und Mythisches, biblische Gleichnisse und fast vergessene Legenden, teils verfremdet zu alptraumartigen Sequenzen für ihre Darstellungen. Aber verdunkelt eine schwermütige Düsternis in den Bildern nicht jede Hoffnung? Hier eröffnet die Ambivalenz der Interpretation, die die Künstlerin zulässt, einen Spielraum. Kann so ein Kranker Torso nun Lazarus sein, ein Auferstehender?
Die Fehlstellen der Torsi, die Verletzungen der schemenhaften Gestalten sind auch als seelische Traumata zu verstehen. Nicht nur eines Individuums, sondern übergreifend einer ganzen Generation, wenn nicht gar der gesamten Gattung. Es ist das Bangen der Renate Jüttner um die physische Existenz des Menschen, um seine intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten.
In jüngster Zeit, der Corona-Zeit, wie sie sagt, hat Renate Jüttner eine Grafik-Serie geschaffen, die sie Schönes Denkmal nennt. Denk mal! Wir sollten dies durchaus als Aufforderung verstehen.
Dr. Klaus Freyer